Als Russland Anfang April seine Grenzen wieder öffnete stand für uns fest: Jetzt oder Nie! Für den verlangten PCR-Test vorab hatten wir mit 72 Stunden genug Zeit. Da würde sich was finden lassen. Deutschland stufte Russland immer noch als einfaches Risikogebiet ein. Deswegen kamen wir leider auch nur mit Test zurück und dieser durfte nicht älter als 48 Stunden sein! Doch auch da würde sich etwas finden lassen. Die 10 Tage Quarantäne nahmen wir in Kauf und planten entsprechend Zeit ein. Wichtig war nur, den TIM (Test-, Impf- und Maskenterror) für ein Weilchen auf Abstand zu halten. Anfang Mai beantragten wir das Einreisevisum und buchten den Flug nach Irkutsk. Als Mitte Juni den Deutschen dann das griechische Alphabet näher gebracht wurde, startete unsere Reise in Richtung Baikalsee…
Die Probleme begannen schon auf der Bahnfahrt zum Frankfurter Flughafen. Mein letzter Flug lag mehr als 7 Jahre zurück und somit war ich nicht so bewandert in Fragen der Digitalisierung von Bahn- und Flugtickets. Ich hatte von meinem Reisebüro einen Ausdruck bekommen mit den Reiseverbindungen und irgendwelchen Zahlen. Das sollte reichen. Es reichte jedoch nicht!
Bei der Fahrscheinkontrolle im Zug konnte die Dame recht wenig mit meinem Ausdruck anfangen. „Ich brauche was zum einscannen“ versicherte sie mir. Da ich nichts anderes vorweisen konnte durfte ich schließlich kulanterweise im Zug hocken bleiben und sollte mir am Automaten in Frankfurt ein Ticket lösen. (Was im Nachhinein aber auch nicht ging, wie wir später feststellen mussten.) Immerhin konnte ich Anne noch vorwarnen und sie besorgte sich den Fahrschein am Fahrkartenschalter in Mannheim, da es am Automaten nicht klappte.
Der Flughafen wirkte wie ausgestorben am Check-in-Schalter langweilte sich das Personal. Ich musste meine Akkus aus dem Rucksack nehmen und ins Handgepäck verfrachten dann war alles okay. Im Bereich der Abfluggates waren lediglich eine Starbucks-Filiale und die Toiletten geöffnet.
Der Flieger war nicht voll belegt doch hatte ich mit weniger Passagieren gerechnet. Mit 15 Minuten Verspätung hoben wir ab, die roten Flugmädels von Aeroflot kredenzten uns Hühnchen mit Weißwein und im Sitzmonitor lief Wonder Woman…
Gegen 23:30 Uhr Ortszeit landeten wir in Moskau-Scheremetjewo. Nach der Passkontrolle hockten an langen Tischen Typen in weißen Anzügen – die Corona-Checker…
Hier mussten wir unseren PCR-Test abliefern, aber wir hätten auch so durchlaufen können. Immerhin war hier nicht jede Fressbude geschlossen. Noch etwas Geld getauscht und zum Terminal B gewechselt. Dann begann eine fast 8-stündige Warterei auf den Anschlussflug nach Irkutsk. Wir hockten uns auf einen Sitz gegenüber einer Videoleinwand mit pausenloser Autowerbung.
В Иркутске
Auch die längste Warterei geht einmal zu Ende und pünktlich ging es in die Luft. Als wir 5 ½ Stunden später in Irkutsk landeten war es bereits kurz vor 18:00 Uhr.
Vor dem Flughafen wartete schon ein Bus in Richtung Innenstadt. Wir hätten gar nichts sagen müssen, die Tatsache, dass wir beim Einsteigen bezahlten, stempelte uns schon als Fremdlinge ab. In Russland wird beim Ausstieg bezahlt…
Dass wir noch ein paar Haltestellen zu früh ausstiegen machte die Sache nicht besser. Wir mussten zum Hotel Angara. Bereits in Deutschland hatte ich die Unterkunft für uns gebucht. Ein freundlicher Herr frage den Fahrer des nächsten Busses der hielt. Wir hatten Glück. Der Mann nickte und wir stiegen wieder ein. Die Fahrgäste konnte man in zwei Gruppen einteilen – mit Maske oder ohne Maske. Und die mit Maske gliederten sich wiederum in zwei Gruppen – Maske unter der Nase hängend oder Maske korrekt sitzend. Letztere waren deutlich in der Minderheit. Direkt vor dem Hotel stiegen wir aus. Diesmal landestypisch in dem wir dem Fahrer 40 Rubel mit der Bemerkung „два“ (zwei) aufs Pult legten.
Wir hatten für 3 Nächte gebucht. Immerhin gab es einiges zu organisieren. Wir wollten im Büro der Organisation Большая Байкальская Тропа (ББТ) vorbeischauen, um Details unseres Projekts zu klären, wir brauchten eine Erlaubnis für unsere geplante Wanderung auf dem ББТ von der Verwaltung des Pribajkalskij Nationalparks, wir mussten noch Verpflegung und eine Gaskartusche kaufen und wollten uns schließlich auch noch ein wenig in Irkutsk umsehen.
Unser Zimmer lag im 5. Stock mit Blick auf den Kirow-Platz (Сквер им. Кирова), einer kleinen städtischen Grünanlage. Auf die Frage nach den besten Restaurants in Irkutsk spuckte mein Smartphone unter andrem den Namen „Кочевник“ („Der Nomade“) aus. Dem Straßennamen nach war es nicht mal weit weg. So entschlossen wir uns spontan die sibirische Küche kennenzulernen.
Der unscheinbare graue Kastenbau entpuppte sich von Innen als nobles Restaurant allerdings mit mongolischer Küche. Warum nicht? Das Nachbarland war ja nicht weit.
Bei „Müdem Reisenden“ („Усталый путник“) und „Mongolischem Samt“ („Монгольский бархат“) ließen wir den Abend ausklingen…
Der 12. Juni war in Russland ein Feiertag, der Tag Russlands (День России). Doch auch heute, am Montag, hatten die Menschen arbeitsfrei. Zum Glück waren die Geschäfte auf, so dass wir mit unserer Versorgungs- und Entdeckungstour beginnen konnten.
Gleich neben dem Hotel befindet sich ein Supermarkt (Слата). Leider war das Angebot an Wanderverpflegung recht dürftig. Wir mussten uns mit Chinesischen Nudeln in Tüten mit Geschmacksverstärker und Schwarztee begnügen. Immerhin gab es löslichen Kaffee. Vom Hotel war es nicht weit bis zur Angara, dem einzigen Abfluss des Baikalsees. An deren Ufern Irkutsk vor 360 Jahren durch den Kosakenführer Jakow Pochabow gegründet wurde. An jeder Ecke der Stadt flatterten Fähnchen mit der Zahl 360, die an den Stadtgeburtstag erinnern sollten. Eine grüne Linie am Boden führte als eine Art Leitlinie zu den Sehenswürdigkeiten von Irkutsk.
Unser nächstes Ziel war der Zentralmarkt der Stadt (Центральный рынок). Hier gab es zwar alles Mögliche und wir konnten uns mit Nüssen und Trockenfrüchten eindecken, Schraubkartuschen fanden wir allerdings keine.
Die Karl-Marx-Straße (ул. Карла Маркса) entlang schlendernd, vorbei am „Bierhaus“ (Бирхаус), einem Restaurant vor dessen Eingang ein Typ in Kniebundhosen stand und auf Gäste wartete, gelangten wir zum Lenin-Denkmal und auf die Marata-Straße (ул. Марата). Alte teilweise recht verfallene Holzhäuser säumten die Straße und in Haus Nummer 30 entdeckten wir per Zufall einen kleinen Buch- und Souvenirladen, der auch Wanderkarten der Baikalregion im Sortiment führte.
Es war an der Zeit zurück zum Hotel zu gehen. Ein Schild mit der Aufschrift „New Siberian cuisine“ – „Neue Sibirische Küche“ weckte unsere Aufmerksamkeit. Es handelte sich um ein Fischrestaurant, das Abendessen war gesichert.
Der Name von Irinas Restaurant ließ keinen Zweifel aufkommen – „Рыба есть“ („Es gibt Fisch“). Sie freute sich sehr über unseren Besuch, ihr Mann kommt aus Rostock, teilte sie uns mit. Sie empfahl uns gleich mehrere Fischgerichte. Nein, keinen Omul (Омул) aus dem Baikalsee! Wir starteten mit Sugudai oder Sagudai (Сугуда́й/Сaгуда́й) eine Vorspeise aus rohem in einer Marinade eingelegtem Fisch mit Zwiebeln und Pfeffer, die vor allem im Norden Russlands beliebt ist. Dazu gab es Fischsuppe (Рыбная юшка).
Der Hauptgang bestand aus geräucherter Пелядь (Peledmaräne), einem lachsartigen Fisch sowie gegrilltem Muksun (Муксун) ebenfalls ein Fisch aus der Familie der Lachsartigen, der in den arktischen Gewässern Nordsibiriens lebt. Den zum Fisch passenden Weißwein ließ Irina im benachbarten Supermarkt kaufen, da ihr die Lizenz zum Weinausschank fehlte…
Am Dienstag ist wieder ein ganz normaler Werktag, für uns hieß das zum einen Natalja im BBT-Büro zu besuchen und sich bei der Nationalparkverwaltung um ein Genehmigung zu kümmern.
Das BBT-Büro befindet sich in der Akademikerstraße 48 (ул. Академическая 48) – ja Irkutsk ist eine Universitätsstadt.
Mit dem Bus waren das 35 Minuten bis zur Haltestelle Южная. Der Eingang war nicht gleich zu finden, er ist auf der Rückseite des Gebäudekomplexes. Natalja erwartete uns bereits. Das Projekt sollte am 21. Juni beginnen, Treffpunkt war hier im Büro. Mit einem Minibus sollte es dann bis Bolschoje Goloustnoje (Большое Голоустное) gehen, einem kleinen Ort am Baikalsee. Dort würde unser Gepäck auf ein Boot verladen und zum Lagerplatz gebracht, wir müssten etwa 15 km laufen.
Das waren die Informationen, die wir zu diesem Zeitpunkt hatten. Da wir morgen unsere Wanderung auf dem BBT von Listwjanka aus starten wollten und diese in Bolschoje Goloustnoje enden würde, würde es doch Sinn machen gleich dort auf den Rest der Gruppe zu warten.
Ein kurzes Telefonat reichte und die Sache war gebongt. Wir sollten uns nur bei ihr melden, wenn wir in Bolschoje Goloustnoje ankommen.
Blieb nur noch die Nationalpark-Genehmigung. „Es geht auch online“ erzählte uns Natalja. Sie tippte auf ihrem Smartphone herum, überlegte es sich dann aber doch anders und bot uns an sie und ihre Kollegin zu begleiten. Beide hatten in der Nähe einen Termin.
Wir fuhren mit dem Trolleybus Nummer 1 bis zur Haltestelle ДКЦ Дружба (Kinderkulturzentrum „Freundschaft“)und liefen dann zwischen Plattenbauten und schlammigen Pfaden bis zur ул. Дыбовского. Dort verabschiedeten wir uns von den Beiden. Bis zur Nationalparkverwaltung in der Байкальская ул. 291Б war es nicht mehr weit.
Wir wurden in den 2. Stock verweisen, dort sollte uns geholfen werden. Aufgeklebte Fingernägel klapperten über Computertastaturen, als wir den Raum betraten. „Разрешение?“ „Прибайкальский Национальный Парк.“ „Большая Байкальская Тропa.“ Die Damen zogen es doch vor eine Kollegin zu holen, die Englisch sprach…
Wir trugen unser Anliegen vor, mit dem Ergebnis, dass wir die Genehmigung doch auch online beantragen können. Nun war Standhaftigkeit gefragt! „Das funktioniert nicht richtig!“ Wieder klapperten künstliche Fingernägel über die Computertastatur.
„Zwei Personen, zwei Nächte – vom 16. 06. bis 18. 06.“ Mir wären drei Nächte lieber gewesen, ich wusste, dass wir nicht die schnellsten waren. Aber gut, die Damen schienen überzeugt, dass wir nicht länger brauchen würden. Die Biwakplätze wurden festgelegt und alles in allem mussten wir 800 Rubel bezahlen. Jetzt waren wir privilegiert das Weltnaturerbe der UNESCO zu betreten, das in diesem Jahr sein 35 jähriges Jubiläum feiert…
Einen Transport zurück ins Stadtzentrum zu bekommen erwies sich als unkompliziert. Ein Passant zeigte uns den Weg bis zur nächsten Bushaltestelle (Деловой центр). Ein Kleinbus, hier Marschrutka (Маршрутка) genannt, brachte uns kurz darauf zurück zum Zentralmarkt.
Der Bus hielt direkt vor einem Geschäft für Angler und im Schaufenster stapelte sich nicht nur Angelkram sondern auch Brenner von Gaskochern. Nun wo es Brenner gibt, gibt’s bestimmt auch Kartuschen, sagte ich mir. Und tatsächlich, nach wenigen Minuten hatten wir unsere 450 g Schraubkartusche und somit unser letztes Problem gelöst…
Der Blick aus dem Fenster unseres Zimmers am nächsten Morgen versprach nichts gutes – es regnete. Der Blick aus dem Fenster des Frühstücksraumes beim Morgenkaffee versprach immer noch nichts gutes – es regnete stärker. Sollten wir heute wirklich zu unserer Wanderung starten? Der Wetterbericht sagte für den ganzen Tag keine Besserung voraus. Natalja hatte recht, als sie uns gestern versicherte, dass dieser Frühling und Frühsommer in Irkutsk ungewöhnlich kalt und nass sei. Wir buchten noch eine Nacht im Angara!
Zurück auf dem Zimmer vertrödelten wir die Zeit durch nichts tun. Später dann versuchten wir Russisch zu lernen mit Hilfe der Google-Übersetzer-App, bis klar wurde, dass sie uns oft bullshit, ähm ерунда, erzählte…
Нет, это не наша собака
Vom Zentralmarkt (Центральный рынок) sollte ein Minibus nach Listwjanka fahren. Ich hatte den Abfahrtsort auf der Karte markiert, es war vom Hotel nicht so weit, wir gingen zu Fuß.
„Через 10 минут“ („In 10 Minuten“) sagte einer der Wartenden. Wir sorgten offensichtlich für Aufsehen mit unseren Rucksäcken auf dem Buckel.
Der Bus füllte sich. Bald waren alle Sitzplätze belegt und noch immer standen Leute draußen. Einer der keinen Sitzplatz mehr ergattert hatte stieg wieder aus und diskutierte mit dem Fahrer. Dann stieg er wieder ein und hockte sich in den Gang. Es hatte den Anschein, als ob der Fahrer nur so viele Menschen mitnahm, wie Sitzplätze vorhanden waren. Zwischen Sitz und Rucksack gequetscht harrten wir aus. Eine Stunde und 15 Minuten dauerte die Fahrt, dann standen wir zum ersten Mal am Baikalsee.
Der Ort liegt direkt am Abfluss der Angara. Dort lugt auch die Spitze eines Felsens aus dem Fluss. Laut Legende wollte Vater Baikal seiner Tochter Angara den Weg zu ihrem Liebhaber, dem Jenissei versperren und schleuderte ihr diesen Felsen in den Weg. Doch wie Töchter so sind, finden sie trotzdem einen Weg zu ihrer großen Liebe…
Wir schulterten unsere Rucksäcke und machten uns auch auf den Weg zum Bolschaja Baikalskaja Tropa (Большая Байкальская Тропа) – dem Großen-Baikal-Trail. Ein Schild an einer Hausecke wies nach links in eine Seitenstraße, meine Karte auf dem GPS dito. Zwar führt auch ein Weg am Ufer entlang doch soll dieser nach einer Weile über sehr ausgesetztes Terrain führen, wo es immer wieder zu tödlichen Unfällen kam. Meist wollten Wanderer die Kontrolle am Nationalparkeingang umgehen, da sie keine Genehmigung hatten…
Wir zeigten der Dame unser Papier, dass wir einen Tag Verspätung hatten, schien sie nicht zu stören. Mit guten Wünschen entließ sie uns in die Taiga.
Der Weg war gut markiert und es lief sich sehr gut. Auf einer Info-Tafel erfuhren wir, dass Volontäre diesen Weg gebaut haben. Nun, bald gehören wir zum Club…
Stetig ging es nun bergauf. Birken, Kiefern und Lärchen waren die dominierenden Bäume des Waldes. Am Wegesrand blühten Жарки – gelbe Sibirische Trollblumen (Trollius ircuticus), violette Sibirische Schwertlilien (Iris sibirica) und Sibirische Akelei (Aquilegia caerulea).
Kiefernzapfenrüblinge (Strobilurus) streckten ihre Hütchen über den Waldboden, ob bitter oder mild konnte ich nicht sagen.
Bis zu unserem Ziel Bolschoje Goloustnoje waren es 52 km, etwa alle drei Kilometer steckte ein Kantholz im Boden, dass die zurückgelegten Kilometer und die noch zu laufende Strecke anzeigte.
Auf einer Höhe von etwa 850 m hatten wir den Scheitelpunkt erreicht. In Serpentinen ging es hinab ins Tal des Baches Emeljanicha (падь Емельяниха). Hier wuchs Allermannsharnisch (Allium victorialis), ein Verwandter des Bärlauchs. Wir hatten die Blätter auf dem Markt in Irkutsk gesehen.
Der Bach führte uns zurück zum See, wo ein Picknickplatz zum Verweilen einlud.
Der Weg war gut begangen, immer wieder begegneten uns Wanderer aus der Gegenrichtung. Viele fahren mit dem Boot bis Bolschije Koty (Большие Коты), einem Dorf etwa auf halber Strecke zwischen Listwjanka und Bolschoje Goloustnoje. Von dort laufen sie mit wenig Gepäck zurück nach Listwjanka.
Der Pfad führte jetzt oberhalb des Sees entlang. Immer wieder boten sich Ausblicke auf das felsige Steilufer oder auf die schneebedeckten Berggipfel des Chamar-Daban-Gebirges (Хамар-дабан) am Horizont.
Donnergrollen kündigte sich an und es dauerte nicht lang bis die ersten Tropfen fielen. Doch es dauerte nicht lang und das Gewitter endete so rasch wie es begonnen hatte. Wir waren schon über 7 Stunden unterwegs als das Schwarzbach-Tal (падь Чёрная) in Sicht kam – unser Tagesziel.
Eine kleine Holzbrücke hing zur Hälfte im Wasser. Über provisorisch befestigte Bretter gelangten wir auf die andere Seite des Baches. Ein Schild wies den Platz als Biwakplatz aus, in drei Sprachen – Russisch, Englisch und Chinesisch!
Ein Pfad führte am Bach entlang in den Wald. Laut Karte kann man auf ihm wieder zurück nach Listwjanka laufen. Das Tal am Schwarzbach hatte in der Vergangenheit eine gewisse Betriebsamkeit erlebt, wie uns eine Info-Tafel aufklärte: Von hier bis zum Kap Kadilnaja (мыс Большой Кадильный) wurde von 1840 bis 1968 am ganzen Ufer des Sees nach Gold geschürft. Im Winter bohrten die Goldsucher Löcher ins Eis, um an die Bodensedimente zu gelangen. Mit heißem Wasser wurde dann das Gold aus dem Boden gewaschen. Wirklich gelohnt hatte sich die Arbeit jedoch nicht. In 120 Jahren wurden lediglich 350 Pfund (≈160 kg) Gold gewonnen!
Wir gewannen hier neue Eindrücke. Am Seeufer hockend tauchte zwischen den Wellen plötzlich ein Kopf aus dem Wasser – unsere erste Baikalrobbe oder Nerpa. Die Tiere leben nur hier im Süßwasser des Baikalsees und ernähren sich von dem sehr fettreichen Golomjanka-Fisch (Голомянка).
Das Zelt war klatschnass am Morgen aber die Sonne scheint. Bis Bolschije Koty ist es nicht weit. Ein unmarkierter Pfad führt über dem Steilufer zwischen Kiefern und Lärchen in Richtung Dorf. Der Hauptweg folgt einem breiten Fahrweg.
Das Dorf schlummert noch vor sich hin. Auch der Dorfladen ist noch geschlossen. So beschlossen wir weiter zu laufen. Kurz vor dem Dorfausgang versperrt uns der Bach Maliye Koty (Малые Коты) den Weg. Er ist zu breit um drüber zu springen und führt zu viel Wasser um durchzulaufen. Wir müssen uns einen Weg suchen. Ein Stück ortseinwärts führt ein schmaler Holzsteg über den Bach. Leider endete der Weg an einem umzäunten Wiesengrundstück. Doch gegenüber scheint es weiter zu gehen.
Teils querfeldein und über Trampelpfade gelangen wir schließlich wieder auf unseren Wanderweg. Der Umweg kostete uns mehr als 20 Minuten.
Bald ging es wieder hinunter ans Seeufer, diesmal auf einen Sandstrand. Anne konnte nicht widerstehen, zog ihre Schuhe aus und stellte sich bis zu den Knöcheln ins kalte Wasser.
Im Tal des Sennaja-Bachs (падь Сенная), einem weiteren Goldsucher-Ort, verlässt der Weg das Ufer und steigt steil an zum Skriper-Felsen (Утес Скрипер), einem Aussichtsfelsen. Auch dieser Name hat etwas mit der Goldsuche zu tun. Abgeleitet wurde der Name von Скрепер was Schaber bedeutet, eine Maschine der Goldsucher, um Erdboden abzutragen.
Das Konglomeratgestein hier erinnerte uns an die Formationen bei den Bosnischen Pyramiden in der Nähe von Sarajewo. Von wegen menschengemacht!
Am Kap Sobolew (мыс Соболев) trafen wir auf den mit Abstand besten Biwakplatz entlang des Weges. Nagelneue Bänke und eine offene Schutzhütte luden zum Verweilen ein. (Wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir hier die nächste Woche verbringen würden.)
Nur wenige Minuten hinter dem Kap erwartete uns die Teufelsbrücke (Чёртов Мост). Der Weg wurde hier in einen steilen Konglomeratfelsen getrieben, an dessen Flanken Mongolenmöwen (Larus vegae mongolicus) nisteten. Provisorisch über einen Felsspalt gelegte Holzbalken gaben der Stelle ihren Namen. Warntafeln weisen darauf hin, dass es hier zu Steinschlag kommen kann und man sich nahe am Fels bewegen soll. Vorsicht walten lassen sollte man auch aufgrund des losen Gerölls auf der harten Oberfläche des Pfades. Das Zeug hat Eigenschaften eines Kugellagers…
Am Unterbach (падь Нижняя) füllten wir unsere Wasserflaschen. Außerdem schien die Sonne, gute Bedingungen, um das Zelt zu trocknen und einen Kaffee zu trinken. Der Platz eignet sich hervorragend zum Biwakieren, doch es war noch recht früh am Tag, so beschlossen wir noch ein Stück zu laufen.
Wie ein Keil schiebt sich das Kap Bolschoj Kadilny (мыс Большой Кадильный) in den Baikalsee. Im Tal Bolschaja Kadilnaja (Большая Кадильная) wurde früher Kalk gebrannt, da sich hier Felsen aus Kalkstein befinden. Das alte russische Wort für brennen, кадить gab dem Ort den heutigen Namen. Ein paar Holzhäuser stehen auf einer Wiese am Ufer das Sees. Alles sieht verlassen aus, aber an einer Stelle ist das Gras frisch gemäht. Wo sollen wir unser Zelt aufschlagen? Eher in der Nähe des Baches oder direkt am Seeufer wo es eine Feuerstelle sowie Tisch und Bänke hat? Nach einigem hin und her entschieden wir uns für die zweite Option.
Kaum stand unser Zelt kündigte sich Besuch an. Katja und Roman waren heute in Bolschoje Goloustnoje gestartet und wollen bis Listwjanka. Ihr Zelt war nagelneu und sollte nun seine Feuertaufe bestehen. Besonders Roman war stolz darauf, dass sie die Strecke in 6 Stunden gelaufen sind und er mit einer Handfackel im Rucksack bestens gegen eine Begegnung mit Bären ausgerüstet sei. Beide kommen aus Irkutsk. Roman fährt einen Lkw, Katja arbeitet in einer Konditorei. Wir lernten von den beiden, dass man das Wasser zum Essen kochen auch direkt aus dem See nehmen kann. Es gab Suppe mit Pferdefleisch. Bei Keksen und Wodka versuchten wir uns anschließend in russischer Konversation.
Der letzte Wandertag hatte begonnen und wir waren nun zu dritt. Offensichtlich von internationaler Küche verwöhnt leistete uns ein Hund Gesellschaft. Keine Ahnung wo der auf einmal herkam. Vom Aussehen erinnerte er ein wenig an einen Husky.
Der Weg hinter Bolschaja Kadilnaja war breit und gut ausgebaut. Am Seeufer zelteten mehrere Kajakfahrer. Wir hatten sie gestern Abend paddeln sehen. Nach einer knappen Stunde zweigt ein Pfad nach links zu einer Höhle ab. Wir folgten dem Hauptweg, der nun die nächsten 700 m direkt am Ufer entlangführte. Eigentlich ging es weglos am Ufer weiter, denn der Wanderweg, der etwas oberhalb parallel zum Berghang verlief, war auf diesem Abschnitt aufgrund von Erosionsschäden gesperrt. Das könnte nächste Woche unser Arbeitsplatz werden, überlegte ich mir.
Über das lose Ufergeröll zu laufen war keine Freude, immer wieder rutschten die Füße zur Seite. Endlich ging es über eine Holztreppe zurück auf den richtigen Wanderweg. Da heute Samstag war, begegneten uns laufend Wanderer. Und jedesmal wurden wir gefragt: „Это ваша собака?“ (Ist das Ihr Hund?) Der Schlingel lief immer vor uns außer Sichtweite aber noch so nah, dass jeder der uns entgegenkam denken musste, der Hund gehört zu uns. Unsere Antwort war immer die gleiche: „Нет, это не наша собака.“ (Nein, das ist nicht unser Hund.) Sprachpraxis par excellence.
Ein Motorboot lag am Ufer, der Motor lief und wühlte das Wasser auf, so dass es wirkte als ob ein Bach in den See strömte. Am Heck stand ein Mann und angelte. Wir fragten uns, ob das ein Trick war, die Fische anzulocken?
Ein Stück weiter versuchte ein Mann uns etwas zu erklären. Wir verstanden ihn nicht. Er ging ein Stück zurück und wies mit der Hand hinunter zum See. Auf einem Felsen hockte seelenruhig eine Baikalrobbe und sonnte sich…
Im Tal Ушканья падь kündigte sich die Zivilisation an. Wir bestaunten Holzarchitektur wie in russischen Märchenfilmen im Hotelkomplex Жемчужина Байкала – Perle des Baikals.
Der Weg wurde breiter, die ersten Picknickplätze kamen in Sicht. Bald gab es mehr Zelte als Bäume. Neugierige Blicke folgten uns. Einer der Ausflügler bedankte sich, als wir ihm sagten wie schön dieses Fleckchen Erde sei.
Das letzte Stück bis Bolschoje Goloustnoje führte über eine staubige Schotterpiste. Die erste Einkehrmöglichkeit im Ort wurde in Beschlag genommen – ein Ethno-Café „У Михалыча“. Es gab Fisch und russisches Bier! Hier hatten wir WiFi und ich konnte Natalja vom BBT eine Nachricht senden.
Sie hatte bereits geschrieben. Der Treffpunkt wurde geändert, das Projekt startete nicht wie geplant in Bolschoje Goloustnoje sondern in Listwjanka. Da Natalja mit einem Team vom BBT gerade in Bolschoje Goloustnoje war, um eine Veranstaltung für Volontäre zu organisieren, bot sie uns an uns mit nach Irkutsk zu nehmen. Wir sagten zu. Ich buchte schnell ein Zimmer für zwei Nächte im Angara und nach einer zweistündigen Busfahrt konnten wir im Hotelzimmer unsere Wäsche waschen…
Волонтёрство на Байкале
Pünktlich um 9 Uhr waren wir wie verabredet am Montag im Büro vom BBT. Gestern war Ruhetag, war ja auch ein Sonntag.
Unser Team bestand aus 8 Mitgliedern. Fünf Freiwillige, Anne und ich, Natascha, Vika und Michael, sowie drei BBT-Mitarbeiter, Angelina, Xenia und Roman. Angelina würde sich um die Organisation der anfallenden Arbeiten während des Projekts kümmern. Xenia war als Dolmetscherin unsere Ansprechpartnerin und Roman als Vorarbeiter der Chef vom Ganzen.
Die meisten kommen aus Irkutsk oder der Umgebung, lediglich Natascha lebt in St. Petersburg und hat hier Verwandte.
Nach der Kennenlernen-Runde ging es ans beladen der Fahrzeuge. Zwei Mini-Busse standen bereit, einer fürs Gepäck, die Ausrüstung und Verpflegung. Einer für uns. Von Natalja erfuhren wir noch, dass wir zu unserem Biwakplatz nicht laufen müssen, wir würden mit einem Boot fahren.
Von Nordosten her wehte ein kalter Wind, der so genannte Barguzin (Баргузин). Seinen Namen erhielt er vom Fluss Barguzin an der Ostseite des Baikalsees. Somit schien zwar die Sonne, doch es herrschte starker Wellengang auf dem Wasser. Kaum hatten wir die Bucht von Listwjanka verlassen hüpfte unser Boot auf und ab über den See. Nach 45 Minuten Baikal-Rodeo erreichten wir schließlich die Bucht am Kap Sobolew.
Hier würden wir also die nächsten 8 Tage verbringen. Als das Boot entladen war und die Ausrüstung am Lagerplatz lag, ging es an den Aufbau der Zelte. Jeder suchte sich einen Platz für sein Zelt. Neben unseren Schlafzelten gab es noch vier Gemeinschaftszelte – das Klozelt, das Verpflegungszelt, ein Zelt für das Werkzeug und ein Saunazelt…
Unser Abendessen mussten wir am Lagerfeuer kochen und dazu brauchten wir Feuerholz. Roman schaute sich nach einer toten Kiefer um. Als er ein geeignetes Exemplar gefunden hatte zerlegte er es mit der Motorsäge in handliche Stücke. Es dauerte eine Weile bis wir alles Holz an den Lagerplatz transportiert hatten.
Bei Buchweizenbrei mit Dosenfleisch am Lagerfeuer hörten wir wahre Geschichten von menschenfressenden Bären, Giftschlangen, die sich in Rucksäcken und Zelten verstecken und Streifenhörnchen, die Nüsse in Wanderschuhen bunkern und Schokolade aus dem Rucksack fressen.
Der Ablauf der nächsten Tage würde sich folgendermaßen gestalten. Zwei Teilnehmer blieben am Lagerplatz und waren für das Essen kochen verantwortlich. Der Rest ging bis zum Mittag (etwa 13 Uhr) schaffen. Unser Arbeitsplatz lag etwa 20 Minuten vom Lager entfernt. Wir würden eine Treppe bauen. Dann ging es zum Mittagessen zurück zum Lagerplatz und nach dem Essen hieß es bis etwa 18 Uhr noch mal schaffen. Bei Regen wurde nicht gearbeitet! Am Sonntag hatten wir frei und würden wandern gehen.
Anne und Natascha hatte es als erste mit dem Küchendienst erwischt. Da es am Morgen jedoch regnete verzögerte sich alles. Den übrigen Frühstücksbrei opferten wir nach alter Schamanen-Tradition im Lagerfeuer den Geistern. Mögen sie für besseres Wetter sorgen. Wir bekamen von Roman einen Vortrag über Arbeitsschutz und lernten die drei gefährlichsten Tiere der Taiga kennen – Bären, Schlangen und Zecken…
Mittlerweile war es Mittag und tatsächlich hatte es aufgehört zu regnen. Mit dem Treppenbau zu beginnen lohnte nicht mehr, so zogen wir mit Spitzhacke und Schaufel los, um ein Stück Wanderweg zu verbreitern.
Wir entfernten den Pflanzenbewuchs am Hang links und rechts des Weges. „Damit man nicht an den Beinen nass wird wenn es regnet“ so Xenia.
Wirklich etwas abgewinnen konnte ich dem Ganzen nichts. Meiner Meinung nach war der Weg breit genug und wer Angst hatte sich die Hosenbeine nass zu machen sollte in sich gehen und überlegen, ob wandern das Richtige für ihn wäre. Immerhin war das hier ein Wanderweg und keine Einkaufsmeile…
Nach getaner Arbeit war Saunazeit. Die Sauna oder Banja bestand aus einem robusten Kunststoffzelt mit einem kleinen Metallofen im Innern, der auf zwei Klappfüßen seht. Diese Füße sollten allerdings auch ausgeklappt werden. Wir hatten das vergessen und nachdem Einheizen fing das Gras am Boden an zu schmoren und unsere Sauna verwandelte sich in eine Räucherkammer…
Laut Roman war jetzt die richtige Zeit, um Birkenruten zu fertigen. Die Blätter waren noch jung und frisch.
Als sich der Rauch verzogen hatte, der Ofen nun auf eigenen Beinen stand und wir mit reichlich Zweigen ausgestattet waren, konnte es endlich los gehen. Auf ein anschließendes Bad im Baikalsee verzichteten wir jedoch.
Am nächsten Tag hatte ich und Vika Küchendienst. Das hieß, eine Stunde früher aus dem Schlafsack pellen als die anderen. Die Asche von der Feuerstelle ins Klo schütten, Feuer machen, Wasser aus dem See holen, Tee kochen und den Frühstücksbrei zubereiten.
Als sich der Arbeitstrupp entfernt hatte, gab es für uns erst mal nichts weiter zu tun. Xenia musste nach Bolschije Koty laufen, um Klopapier zu kaufen. Wir hielten das Feuer am brennen und bereiteten alles fürs Mittagessen vor. Es gab Schtschi (Щи), eine russische Kohlsuppe und dazu Kompott aus Trockenobst.
Gegen Langweile und Lagerkoller hatte Xenia immer Gruppenspiele parat, wie den Baikal-Quiz oder was erfährt man in wenigen Minuten über einen weiteren Teilnehmer. Interessant fand ich, dass sich die Leute doch sehr stark nach China und Fernost orientieren. Natascha lernt Chinesisch, Vika arbeitet in einem koreanischen Beauty-Shop und Michael malt japanische Comics. Klar, für die Menschen hier ist Peking oder Tokio natürlich näher als die EU…
Die Treppe stand kurz vor ihrer Vollendung, da passierte es. Um die Stufen zu verankern, mussten Steine vom Seeufer herangetragen werden. Die Steine durften nicht zu klein und nicht zu rund sein. Diese Brocken, laut Roman „маленькие камни“ (kleine Steine), ließen sich oft nur zu viert transportieren. Eines dieser Steinchen setzte Roman außer Gefecht. Er hatte sich verhoben und so starke Rückenschmerzen, dass er nicht mehr mitarbeiten konnte. So stellten wir mithilfe seiner Anweisungen die Treppe fertig.
Am Nachmittag mussten wir improvisieren und das bedeutete – den Wanderweg verbreitern…
Auch am Folgetag hackten wir im Rahmen einer ABM am Wanderweg herum, allerdings nur bis Mittag. Am Nachmittag stand eine Wanderung zum Skriper-Felsen auf dem Programm. Die Sicht war besser als letzte Woche. Es gab hier sogar Handy-Empfang! So nutzten die Damen ihr Smartphone nicht nur um Selfies zu machen, sondern auch um die neuesten Nachrichten zu lesen. Und diese waren nicht ermunternd: Die Republik Burjatien (Бурятия) auf der anderen Seite des Sees hatte ihre Grenzen aufgrund Corona geschlossen – schlechte Vorzeichen!
Roman ging es wieder besser. Er wollte heute in der Nähe der „Teufelsbrücke“ einen Erosionsschutz bauen. Ich hatte mit Anne Küchendienst. Immer wieder liefen Wanderer an unserem Lager vorbei und bedankten sich für unsere Arbeit am Weg. Während wir unsere Linsensuppe löffelten, erfuhren wir von Natascha, dass wir schlecht gearbeitet hatten.
Ein Wanderer beschwerte sich, dass auf dem Weg noch zu viele Steine lagen. Er war gestolpert und hatte sich die Ellenbogen aufgeschlagen. Seine Wodkafahne war deutlich wahrnehmbar…
Ab jetzt wiesen wir uns immer gegenseitig darauf hin, dass zu viele Steine auf dem Weg lagen, wenn wir an einer Stelle vorbeiliefen wo es etwas rutschig wurde. So auch am Sonntag unserem Wandertag. Das Ziel ist die Kapellenhöhle (Пещера Часовня). Sie liegt in der Schlucht des Baches Malaja Kadilnaja (Малая Кадильная).
Verglichen mit letzter Woche blühten jetzt deutlich mehr Blumen am Wegesrand. Gelber Islandmohn (Papaver nudicaule) und die gelbe Niedrige Schwertlilie (Iris humilis), violette Sibirische Schwertlilien (Iris sibirica) und strahlendes Edelweiss (Leontopodium sp.), leuchtend rote Zwerglilien (Lilium pumilum) und blauer Feldrittersporn (Consolida sp.) und immer wieder die feurigen Sibirischen Trollblumen (Trollius ircuticus) um nur einige zu nennen.
Die Rangerhütte am Kap Bolschoj Kadilny (мыс Большой Кадильный) war besetzt. Ein Männchen, das mich ein wenig an Lenin erinnerte, hatte Gras gemäht. Wir hockten uns auf eine Bank und knabberten ein paar Kekse bevor wir den letzten Abschnitt in Angriff nahmen.
Zur Höhle ging es in Serpentinen einen steilen Hang hinauf, bis wir vor einer etwa 1,60 m hohen Öffnung im Fels standen. Es folgte ein kurzer Tunnel durch den man auf allen Vieren krabbeln musste, dann standen wir in der bis zu 12 m hohen Höhlenhalle. Ein Loch im Fels oberhalb spendete etwas Licht. Die Höhle war bereits in der Eisenzeit bewohnt, was Funde von Knochen, Pfeilspitzen oder Tonscherben bewiesen. Heute findet man nur noch touristische Wandmalereien am Fels, à la „Ich war hier“.
Dunkle Wolken zogen über die Berge und auf der Hälfte des Rückweges regnete es. Alle hockten sich ums Lagerfeuer um sich aufzuwärmen. Morgen würden wir den Platz verlassen. Wir hofften auf den Barguzin, dass er die Regenwolken vertrieb oder hatte den Geistern unser Essen nicht gemundet?
Der Barguzin wehte nicht, aber es regnete auch nicht. Unser Zelt hatte einen gelben Belag als wir es abbauten – Kiefernpollen. Als Dankeschön für unser Mitwirken gab es für jeden ein T-Shirt mit dem Logo der Organisation BBT. Das Boot kam pünktlich und die Wellen waren auch nicht so hoch wie bei der Hinfahrt. Dafür umhüllte uns kurz vor Listwjanka dichter Nebel. Hupend näherten wir uns dem Hafen.
Den Baikalsee wollten wir nicht ade sagen, ohne seinen berühmten Fisch probiert zu haben. Auf dem Markt in Listwjanka kauften wir uns zwei geräucherte Exemplare des Omul. Der Fisch steht mittlerweile unter Schutz. Nur Einheimische dürfen ihn in geringer Menge fangen, um ihren Lebensunterhalt damit bestreiten zu können.
Im BBT-Büro kauften wir uns einen wichtigen Ausrüstungsgegenstand russischer Wanderer – ein Arschkissen (сидушка/поджопница)!
Δ-вариант
Die verräterischen Zeichen auf dem Skriper-Felsen bewahrheiteten sich als wir zurück im Hotel waren. Deutschland hatte Russland kurzerhand zum Virusvariantengebiet erklärt!
Das hieß für uns mit der Ankunft daheim 14 Tage in Quarantäne zu gehen, ohne die Möglichkeit diese durch einen Test früher zu beenden. Damit hatten wir nicht gerechnet. Was tun?
An den paar verbleibenden Tagen lohnte es schon von der Zeit her nicht etwas neues zu planen. So beschlossen wir morgen zum Flughafen zu fahren und nachzufragen, ob wir früher zurückfliegen können. Wer weiß was in Berlin sonst noch ausgeheckt wird…
Nach einer kleinen Odyssee mit den Stadtbussen gelangten wir doch noch an unser Ziel. Die Dame am Schalter von Aeroflot war sehr hilfsbereit. Sie bot uns einen Flug morgen früh ab 5:30 Uhr an. Sehr gut! Nun ja, fast. Die Umbuchung wollte nicht so recht klappen. Wie sich herausstellte lag das daran, dass wir bei der Anreise keine Bahntickets hatten. Ein Hoch auf die digitale Zukunft!
Die Dame telefonierte mit Moskau, dort begann man gerade mit der Arbeit. Moskau telefonierte mit der Deutschen Bahn und nach 3 Stunden Warterei hatten wir unsere Flüge…
Nun hieß es für uns: Die überflüssigen Nächte im Hotel stornieren, sich für den PCR-Test auf dem Flughafen in Moskau registrieren und diesen auch gleich bezahlen, die Einreiseanmeldung für Reiserückkehrer ausfüllen und ein Taxi auf 3 Uhr morgens zum Flughafen bestellen. Zum Glück war unsere Wäsche fertig, die wir im Hotel hatten waschen lassen…
Immerhin klappte es am Tag unserer Abreise recht gut. Die Dame am Check-in-Schalter in Irkutsk wollte zwar noch eine Bestätigung von Aeroflot, dass wir uns in Moskau testen ließen, was uns aber problemlos gewährt wurde. Dann lief alles reibungslos. Der Test in Moskau war äußerst human. Ich hatte nicht das Gefühl gleich geschlachtet zu werden wie bei uns daheim schon passiert und nach 2 Stunden hatten wir das Ergebnis – negativ!
Nach einer Woche wurde Russland wieder zurückgestuft, die 14 Tage Quarantäne blieben uns nicht erspart und das Griechische Alphabet setzt sich fort…
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Ganz toller Reisebericht. Faszinierende Bilder. Der Bericht macht Lust, auch dorthin zu reisen/wandern.