Frédéric Gros: Unterwegs. Eine kleine Philosophie des Gehens. 2009

Schwarzwald
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Wandern, Gehen, Spazieren ist in vielen Ländern ein beliebter Volkssport. Schon länger frage auch ich mich nach dem Grund. Bei der Suche nach Antworten bin ich auf das unterhaltsame Büchlein „Unterwegs“ des französischen Philosophen Frédéric Gros gestoßen. Schon das erste Kapitel hat mich neugierig gemacht. Hier stellt der Autor fest: „Gehen ist kein Sport“. Klingt banal, jeder könnte zustimmen. Die Erläuterung im weiteren Verlauf des Buches stimmt nachdenklich.

Zunächst lädt uns der Autor zu einem Streifzug durch die Geschichte ein. Wir lernen die Bedeutung des Gehens und Wanderns für griechische, indische und europäische Philosophen kennen. Wie  Nietzsche seine philosophischen Erkenntnisse auf langen Wanderungen entwickelt. Der politische Widerstand in Indien durch die Märsche Gandhis entsteht.

Vor diesem geschichtlichen Hintergrund werden die spezifischen Aspekte des Wanderns bzw. Gehens erläutert. Das monotone rhythmische Fortschreiten passt sich der Bewegung des Denkens und der Sinneswahrnehmung der Welt an. Körper, Geist und der Ort, den wir erwandern, verschmelzen zur Gegenwart und führen so zu einem unvermittelten erleben. Eine ganz andere Wahrnehmung entsteht, wenn man in ein Auto steigt und zu einem Ort fährt, dort aussteigt und dann die Natur oder ein Bauwerk betrachtet. Man sieht ebenso alle Einzelheiten: „Und doch sind das nur Bilder. Ich nehme sie eilig zur Kenntnis wie eine genaue Fotografie – Das Bild eines Bildes“, letztendlich nur eine vermittelte Gegenwart.

Präsenz hingegen braucht Zeit. Nur längeres und langsames Fortschreiten bringt Sinneswahrnehmung, Denken und Ort in einen zeitlichen Einklang. Die stetige Wiederholung führt zugleich zu einer Leichtigkeit der Bewegung, einem Fluss des suchenden Denkens und schließlich zur Freude auch schwierige Wegstrecken mühelos zu überwinden: „Freude macht das Denken, wenn es findet und entdeckt, während der Körper Freude bereitet, wenn er etwas mit Leichtigkeit vollbringt.

Das Gefühl der Freude entsteht durch permanente Wiederholung und unterscheidet sich nach Gros von Vergnügungen. Diese verbrauchen sich durch Wiederholungen, werden langweilig. Deshalb sind ihnen stetige Veränderung und Steigerung immanent. Sie entsprechen der Steigerungslogik unserer Gesellschaft, während das dauerhafte Wandern und Gehen dieselbe unterläuft. Dennoch besteht auch beim Wandern die Gefahr, in den Sog der Steigerungslogik zu geraten, indem Länge und Höhe der Strecken bewertet werden. Dann wird die Steigerung das Ziel des Gehens und das Gehen zum Sport.

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