Römische Legionäre, müde vom Krieg, vom Kämpfen und Erobern und nicht mehr in der Lage die Schönheiten der Welt zu erkennen, verirrten sich einst an das Ufer eines Flusses. Dort waren sie tief ergriffen und überwältigt von der Schönheit der Landschaft, die sie so noch nie zuvor gesehen hatten, vom smaragdgrünen Wasser, den imposanten Wasserfällen und unberührten Flussufern in einer unvergleichbaren Umgebung.
Einer der Soldaten rief fasziniert: „Una“ (einzigartig)! Mit einem einzigen einfachen Wort gelang es diesem Soldaten die Schönheit des Flusstales zu beschreiben. Und so heißt der Fluss noch heute. Ob die Eindrücke der Römer Wirklichkeit waren oder nur Legende, wollten wir in den nächsten Tagen herausfinden.
Lebensweisheiten
Aufgrund günstigerer Bahntarife fahren wir eine Stunde früher als letztes Mal in Richtung Balkan. Die Nachteile, wir müssen in Basel umsteigen und auf dem ungastlichen Züricher Hauptbahnhof eine Stunde zusätzlich die Zeit tot schlagen. Der Wartebereich hatte bereits geschlossen, so bleibt uns nur der Weg in den Untergrund.
„Was du heute kannst entkorken, dass verschiebe nicht auf morgen“ empfiehlt uns ein Schild im Schaufenster eines Weinladens mit herabgesetzten Rotweinen auf 30 EUR. Guter Tipp! Unser Zug nach Zagreb steht schon bereit, wir machen es uns im Abteil gemütlich und entkorken eine Flasche „La Croix Simon – Bordeaux Supérieur“, Biowein für 7,99 EUR. Die Tour beginnt!
Nur leicht verspätet rollen wir in den Glavni Kolodvor, der kroatischen Hauptstadt ein. Bis zum Busbahnhof sind es etwa 20 Minuten zu Fuß. Wir könnten auch die Linie 6 der Straßenbahn nehmen, entscheiden uns aber zu laufen. Der nächste Bus nach Bihać fährt um 14:15 Uhr, Plattform 403. Wir haben Zeit. Zeit für einen Kaffee und ein Wasser. Auch die Plastikflasche mit dem Jana-Wasser geizt nicht mit weisen Sprüchen: „Message for you: Look around you and try to find happiness. Just by looking, you will feel it inside you.“ Danke Jana, du hast mir sehr geholfen! Zum Glück fährt der Bus bald…
Die Sonne scheint und Herbststimmung breitet sich lins und rechts der Straße aus. Wir fahren etwa 3 ½ Stunden. Es geht durch Rastoke, ein kleiner Ort mit imposanten Wasserfällen und durch den Nationalpark Plitvicer-Seen, sollten wir uns mal vormerken.
An der Grenze zu Bosnien ist es bereits dunkel, dank der Winterzeit. Wir erreichen Bihać um 17:45 Uhr. Der Busbahnhof befindet sich keine 10 Minuten vom Stadtzentrum entfernt und gleich hinter der Brücke, die über die Una führt, finden wir ein Hotel. Paviljon heißt das Etablissement. Unser Zimmer hat einen Balkon zur Una, wir bleiben. Morgen wollen wir ins Büro der Nationalparkverwaltung sowie Geld tauschen und etwas Reiseproviant kaufen und dann mit dem nächsten Bus in den Una-Nationalpark fahren. Abends lerne ich im Hotelrestaurant eine leckere Suppe kennen – Domaća Trahana čorba (3 KM). Dazu gibt es Teleća naravna šnicla (Kalbssteak, 12 KM) für Anne und Punjena Pljeskavica (8 KM), eine mit Käse gefüllte Hackfleischtasche, für mich. Außerdem jeweils einen Šopska Salata (3 KM). Lamm steht nicht auf der Speisekarte.
Štrbački buk
Der Käsebollen lag mir schwer im Magen, ich hatte nicht gut geschlafen. Das Eierfrühstück besserte die Situation nicht wirklich. Das Wetter zeigt sich jedoch vom Feinsten, unter einem strahlend blauen Herbsthimmel plätschert das Wasser der Una vor unserem Hotelfenster im Morgenlicht.
Unser erster Gang gilt dem Informationsbüro des Una-Nationalparks. „Hiking is possible“ erklärt uns die Dame im Nationalparkbüro. „From the waterfalls to Kulen Vakuf on the road. There is no much traffic“ – Prima! Ich hatte so was schon befürchtet. Der Una-Nationalpark mag ein Paradies für Rafter und Angler sein, aber Wanderer hat er vermutlich noch nicht viele gesehen. Der Weg vom Eingang Nummer 1 bis zu dem großen Wasserfall – Štrbački buk führt über eine unbefestigte Forststraße. Weiter bis Kulen Vakuf, dem Hauptort innerhalb des Nationalparks, scheint dann nur über die Asphaltstraße möglich zu sein. Unsere Vorstellung einer Nord-Süd-Durchquerung auf Wanderwegen werden wir so nicht umsetzen können. Die Karte im Maßstab 1 : 100 000 wird uns nur zur groben Orientierung nutzen. Immerhin habe ich die neue Adria Topo 3.0 auf meinem GPS und die Dame kann uns detaillierte Busverbindungen von Bihać nach Kulen Vakuf und zurück nennen.
Geld tauschen wir bei der Addiko Bank, der Wechselkurs von der KM zum Euro ist wie früher zur DM – 1,95583.
Gegenüber der Bank gibt es einen Konzum. Brot, Äpfel, Käse, Wurst und Schokolade wandern noch in Annes Rucksack. Jetzt sind wir ausgerüstet für unser Una-Abenteuer, bezahlen unsere Unterkunft und warten auf den Bus nach Kulen Vakuf. Die Bushaltestelle befindet sich an der Belem-Straße, nicht am Busbahnhof!
Der Nationalpark hat 5 offizielle Eingänge. Wir wollen zum Eingang 1 oberhalb von Gorjevac. Drei Konvertible Mark kostet die Fahrt. Nach einer knappen halben Stunde kommen braune Schilder in Sicht – „Nacionalni park Una“, „Ulaz 1“. Wir fahren vorbei! Der Fahrer hat glatt verpennt anzuhalten, er lässt uns ein Stück unterhalb aussteigen. Eine halbe Stunde kostet uns der Umweg.
Am Nationalparkeingang bekommen wir Gesellschaft, ein schwarzer Streuner wackelt schwanzwedelnd über die Straße. Den werden wir so schnell nicht mehr los vermute ich.
Nach ein paar Metern erscheint ein Hüttchen. Darin hockt ein junger Mann mit etwas einfachem Gemüt. Davor springen zwei weitere Köter herum. Der Typ labert lustig drauf los, obwohl er uns nicht versteht und wir ihn auch nicht. Doch das stört ihn nicht, er schwätzt munter weiter. Mein Bauchgefühl sagt mir: Der will Geld! Die Schotterstraße aus Richtung Una-Tal kommt ein Auto, der Fahrer hat leere Wasserkanister in seinem Hänger geladen und spricht ein wenig Deutsch. Ich habe richtig vermutet, 6 Mark pro Nase soll der Zutritt zum Nationalpark kosten. Der Mann überlegt kurz und korrigiert auf 7 Euro für Beide. Wir bekommen einen Schein auf dem er 6 Mark Eintrittsgebühr vermerkt hatte und dürfen passieren. Ein kleiner Nebenverdienst? Jetzt begleiten uns drei Hunde. Die lassen sich auch durch wilde Gesten und Flüche nicht abschütteln, erst Steinwürfe sorgen für den nötigen Respekt. Zumindest einer trollt sich, die anderen beiden folgen uns in gebührendem Abstand.
Warnschilder tauchen auf am Straßenrand – „Roe Deer On The Road“, „Wolf On The Road“ und schließlich, „Bear On The Road“. Wer sagt’s denn. Kurz vor unserem Tagesziel raschelt es tatsächlich im Unterholz. Zwischen dem Gestrüpp verschwindet ein borstiger Rücken. Vor Wildschweinen hatte uns kein Schild gewarnt…
Doch erst einmal verlassen wir die Schotterpiste und folgen einem Wegweiser zu einem Aussichtspunkt – Inočina greda. Von dort würden wir auf einem Pfad wieder auf unsere Piste kommen. Der Abstecher hat sich gelohnt. Auf einer Bank machen wir Vesperpause, weit schweift der Blick über den Herbstwald hinab ins Una-Tal und den Bergen Kroatiens und dem höchsten Berg im Nationalpark – Ljutoč (1168 m). Weit im Süden erhebt sich der höchste Buckel in der Region, die Velika Osječenica (1795 m).
Im großen Bogen gelangen wir wieder auf die Schotterstraße. An verlassen Häusern geht es vorbei. Wir begegnen niemanden. Es ist einsam hier, aber die vielen Picknickplätze deuten darauf hin, dass die Gegend im Sommer gut besucht ist. Die beiden Hunde weichen jetzt nicht mehr von unserer Seite, wir haben es aufgegeben sie zu verscheuchen. Gegen 16:30 Uhr haben wir unser Ziel erreicht, den Wasserfall Štrbački buk. Genau genommen sind es Wasserfälle, in mehreren Kaskaden stürzt sich die Una 24,5 m in die Tiefe. Interessant ist die Hinweistafel am Eingang zu den Wasserfällen. Verbot reiht sich an Verbot. Zelten taucht aber nicht auf, dafür Fotografieren – „for commercial use“. Wir machen Fotos, das Licht ist nicht mehr so gut. Ein paar Besucher schauen sich noch die Wasserfälle an. Dann ist es an der Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Unterstände auf einem Stück Wiese oberhalb der Wasserfälle scheinen geeignet. Es dämmert bereits. Die letzten Besucher sind gegangen. Anne kocht chinesische Nudeln, ich baue das Zelt direkt unter dem Dach auf, da kann es ruhig regnen.
Bekehrungsversuche
Es regnete nicht, es fror. Eiskrusten überziehen Gras und den Holzsteg zu den Wasserfällen am Morgen. Aber die Sonne scheint und Nebel steigt über dem Flussbett auf. Die Una scheint zu kochen. Ein Regenbogen entspringt in der Schlucht, hervorgerufen durch die aufsteigende Gischt. Ein schönes Spiel der Natur.
Wir essen unser Müsli, trinken Tee und Kaffee und packen unsere Rucksäcke. Oben vor verlassenen Imbissbuden füllen wir unsere Wasserflaschen auf. Ein dritter Hund hat sich zu uns gesellt.
Die Schotterpiste führt im Tal entlang in Richtung Eingang Nummer 3. Auf unserer Kartenskizze zweigt jedoch ein Pfad vorher ab in Richtung einer Burgruine – Kula Klišević. Wir folgen ihm bergauf. Es ist die Ruine eines alten Wohn- und Wehrturms aus der Zeit der Herrschaft der Osmanen über Bosnien und soll laut Info der Adelsfamilie Kulenović gehört haben. Hier zweigen zwei Pfade ab. Einer ist unmarkiert, der andere, laut einem Wegweiser ein Heilkräuterpfad, führt zum Eingang 2. Heilkräuter finden wir keine, aber uns findet jemand. Wie aus dem nichts taucht ein Typ auf dem Weg auf, der wissen will, ob wir Touristen wären. Ist es ein Ranger? Ich frage ihn, ob der Kräuterpfad nach Kulen Vakuf führt, er bestätigt dies. Wir brauchen also nicht der Schotterpiste zu folgen.
Infotafeln am Wegesrand zeigen Burgruinen auf dem Weg nach Kulen Vakuf. An einer Kreuzung zweigt der markierte Weg nach links. Vermutlich führt er zum Eingang 2. Wir folgen aber einem unmarkierten Pfad durch den Wald bergauf. So lange die Richtung stimmt, kann ja nichts schiefgehen. Laut meinem GPS dürfte es den Weg gar nicht geben, trotz Adria Topo 3.0!
Wir erreichen eine Bergwiese. Unter einem überdachten Hochsitz machen wir Mittagspause. Am Gebüsch gegenüber steht ein Klohocker und am übernächsten Gebüsch ein Grill. Hier scheint demnach öfter mal etwas los zu sein.
Vor einem kleinen Tümpel entdecken wir eine Gedenktafel, die, soweit ich das verstand, an Vertreibungen der bosnischen Bevölkerung vom 12.6.1992 erinnert.
Am Ende der Bergwiese stoßen wir wieder auf einen Weg, den auch mein GPS wieder anzeigt. Linker Hand steht eine Haus im Rohbau, ein paar Einheimische werkeln dran herum. Ich erkundige mich nach dem Weg, die Richtung stimmt. Es geht bergab, die ersten Häuser kommen in Sicht. Sie gehören zum Dorf Orašac. Hier gibt es eine nagelneue Moschee und eine alte Burgruine. Wir erreichen die wenig befahrene Asphaltstraße gegen 13 Uhr, direkt bei einem Lebensmittelladen. Es ist Zeit für ein Pausenbier und um sich Gedanken über den Weiterweg zu machen.
Zwischen Una und Straße befindet sich besiedeltes Gebiet und jenseits des Flusses können wir nicht laufen, da es keine Brücke gibt. Ob demnächst ein Bus fährt können wir nicht in Erfahrung bringen. Wir beschließen, die 10 km nach Kulen Vakuf zu trampen. Das würde auch unser „Hundeproblem“ lösen.
Am Ortsausgang spricht uns eine Familie vor ihrem Haus an. Der Vater, ein Mann mit „Prophetenbart“, könnte uns nach Kulen Vakuf fahren. Wir fragen nach dem Preis. „Was ihr geben wollt“ bekommen wir als Antwort. Da für ein Taxi pro Kilometer 1 KM berechnet wird, bieten wir ihm 10 KM an. Abgemacht! Er holt seinen klapprigen Wagen und bald tuckern wir in Richtung Kulen Vakuf.
Der Typ gibt an Musiker zu sein – Drummer bei einer Band. „Ethno, Jazz, Punk, Rock, Heavy Metal…“ „Alles kein Problem.“ Ob er heute auch noch musiziert, fragt Anne. „Nein.“ Es gab Probleme mit Alkohol und Drogen. Aber die hätte er überwunden, der Islam zeigte ihm den rechten Weg. Aha – Allah also hat’s gerichtet.
Sein Englischwortschatz ist begrenzt, wir verstehen uns kaum, aber er redet immer weiter. Wir erfahren auch dass Kulen Vakuf muslimisch und Martin Brod unser nächstes Ziel orthodox ist. Die Grenzen werden nach Religionen und nicht ethnisch definiert. Immer wieder betont er, dass er alle Religionen toleriere. Als Anne einwirft, das wir keiner Religion angehören, kommt er aus dem Konzept. Ohne Religion, wie soll er uns nun einordnen? Er öffnet das Handschuhfach auf der Beifahrerseite und fischt zwei Prospekte heraus. Beide auf Deutsch! „Die Nutzen des Gebets“ und „Unser Herr Allah“ Wenn wir sie nicht wollen, können wir sie wegschmeißen.
Kulen Vakuf liegt auf einer Insel, eine lange Brücke bildet den Zugang zum Ort. Džisr-i-kebir hieß der Ort bei den Osmanen, was „Große Brücke“ bedeutet.
Im „Bistro Una“ beratschlagen wir bei Bier und Kaffee, wie es weiter geht. Anne will auf den Campingplatz, ich lieber eine Unterkunft im Ort. Die Nacht dürfte wieder recht frisch werden und ich traue meinem Quilt nicht so recht. Außerdem wird es bald wieder dunkel. Auf dem Weg vom Parkplatz, wo wir abgesetzt wurden, hatten wir ein Schild gesehen – Sobe/Zimmer.
Anne klingelt, ein älterer Herr öffnet uns. Wir haben Glück – ein Zimmer mit Küche, 30 Euro mit Frühstück um acht. Jetzt haben wir sogar noch Zeit für einen kleinen Spaziergang.
Kulen Vakuf hat sogar einen Bahnhof, einen Zug hat es jedoch schon lang nicht mehr gesehen. In kyrillischen Lettern prangt der Ortsname vom Gebäude. Sonst ist hier nichts mehr orthodox, die Kulturgrenze beginnt ein Stück weiter im Süden in Martin Brod. Eine regelmäßige Busverbindung gibt es aber nicht dorthin. Vielleicht einmal in der Woche nach Bihać, wie wir später erfahren.
Beim Abendessen im Buffet „Ribar“ kommen wir mit einem Deutschen kurz ins Gespräch, der südlich des Ortes ein Kulturzentrum eröffnet hat. Der Typ wundert sich, hier überhaupt Touristen anzutreffen. Wir leisten uns gegrillte Forelle und ich genehmige mir wieder eine Suppe die hier „Tarhana“ heißt, aber der aus Bihać geschmacklich in nichts nachsteht. Der junge Mann, der uns bediente, hat sein Studium abgebrochen, lernt jetzt Altenpfleger und hofft auf eine Arbeitsplatz in Deutschland. Die Perspektiven hier sind schlecht, die Jungen wandern ab und die Perspektivlosigkeit erhöht sich.
Kulturgrenzen
Morgennebel, das Gras ist wieder mit Raureif bedeckt. Zum etwas spärlichen Frühstück gibt es Früchtetee. Kaffee scheint hier ein kostbares Gut zu sein.
Dann gehen wir einkaufen. Eigentlich brauchen wir nur Käse, aber es gibt nur abgepackte Scheiben. Wir nehmen sie und verlassen den Laden. Punkt 8:30 Uhr folgen wir den rot-weißen Punkten an den Strommasten. Sie führen in den Wald und weg vom Una-Tal. Wir müssen zurück. Mit Hilfe unserer Kartenskizze finden wir den Weg hinunter zum Fluss. Die Sonne scheint und die goldgelben Berghänge bilden einen lieblichen Kontrast zum blauen Herbsthimmel. Es wird warm und wir müssen uns tatsächlich Anfang November Sonnencreme ins Gesicht schmieren.
Der Weg führt über Uferwiesen, vorbei an vereinzelten Bauerngehöften mit Feldern auf denen vertrockneter Mais steht. Ziegen kommen neugierig auf uns zu und schlabbern an unseren Händen. Dann geht es wieder durch schattigen Laubwald.
An einer schönen Stelle machen wir Mittagspause direkt an der Una. Es gibt Käsebrote, Apfelscheiben und eine zuckersüße Rotweinplörre, die wir gestern im Laden gekauft hatten. Anne traut sich ins eiskalte Wasser. Ich bin nicht so verrückt…
Bis Martin Brod ist es nun nicht mehr weit. Vor dem Ort spannt sich eine Behelfsbrücke über den Fluss. Die Originalbrücke liegt im Wasser. Fette Forellen (laut Anne handelt es sich um Karpfen) schwimmen vor den Brückenresten. Ein rotes Schild am Brückengeländer zeigt die Preise für die Angellizenzen: 1 Tag – 50 KM, 3 Tage – 120 KM, 5 Tage – 170 KM.
Laut google-Karte gibt es eine Unterkunft im Ort. Ich hatte sie als Wegpunkt gespeichert. Wir lassen uns zu ihr leiten. Das klappt ganz gut, das Hotel ist leider geschlossen…
Hilfe bekommen wir vom Mitarbeiter des Nationalparks, der vor dem Wärterhäuschen steht. Wir sollen im Restaurant gegenüber fragen. „Restoran i Prenoćište kod Zore“, steht auf dem Eingangsschild. „Sobe?“ frage ich die Dame im Restaurant. Sie nickt, wir sollen reinkommen. „Sliwowitz?“ fragt sie. Jetzt nicke ich. Alle Zweifel sind beseitigt, wir haben die Kulturgrenze überschritten!
Das Zimmer ist ihre gute Stube, kostet 40 KM pro Nase mit Frühstück aber ohne Kaffee und hat einen Bollerofen indem schon die Holzscheite glühen. Die Wasserfälle wollen wir uns morgen anschauen. Jetzt halten wir nach einem Laden Ausschau. Wie war nur das bosnische Wort für Lebensmittelechten? Irgendwie hatte es mit dem slowakischen „potraviny“ Ähnlichkeit. Das versteht sie aber nicht. „Magazin“ ebenso wenig. Erst mit „Konsum“ haben wir erfolg! Ossiwurzeln sind manchmal recht nützlich…
Der „Konsum“ macht gerade dicht. Morgen ab 8 Uhr wieder. Aber nur bis 9 Uhr, dann ist eine Stunde Frühstückspause. Jetzt ist Zeit für eine Dorfbesichtigung. Die Una strömt breit durch das Dorf, mehrere Häuser werden vom Wasser umspült. Wir folgen der Straße zur Unac-Mündung. Die Unac ist der erste größere Nebenfluss der Una. Aus einer wilden Schlucht kommend, mündet er in Martin Brod in die Una. Hier befindet sich der größte Arbeitgeber von Martin Brod, eine Forellenfarm. Daneben befindet sich ein serbisch-orthodoxes Kloster aus dem 15. Jahrhundert – das Kloster Rmanj. Es war im Mittelalter ein wichtiges geistliches Zentrum und ein bedeutender Ort der Ikonenmalerei.
Ein Pfad führt die Unac-Schlucht ein Stück stromauf. Wir folgen ihm. Uns offenbart sich eine beeindruckende Schlucht mit smaragdgrünem Wasser. Der Pfad verschwindet in einem Tunnel, kurz darauf folgt ein zweiter Tunnel der mitten im Fels endet – eine Sackgasse. Schade gern wären wir weiter gelaufen. Wir kehren um.
Der Ofen in unserem Zimmer ist warm, wir kochen Kaffee und Tee und machen es uns gemütlich.
Später gehen wir in das Restaurant, um etwas zu essen. Dort herrscht jetzt Hochbetrieb. Zwei Nationalparkranger hocken bei ihrem Feierabendbierchen. Miša, wie der Nationalpark-Ranger heißt, der uns den Restaurant-Tipp gegeben hatte, ist 66 Jahre alt und scheint sich gut auszukennen. Ob wir wandern wollen, will er wissen und schreibt mehrere der umliegenden Gipfel auf deinen Zettel mit der dazugehörigen Wegdauer. Leider haben wir nicht so viel Zeit. Wir beschließen morgen uns auf die Suche zu machen zu den Krka-Quellen – Izvor Krke. Nicht die kroatische Krka, sondern die bosnische Krka, die etwa 12 km stromauf in die Una mündet.
Zum Abendessen empfiehlt uns Miša hausgemachte Forelle, was auch sonst. Es gibt kaum Auswahl und wir haben sowieso Lust auf Fisch. „S krompirom“ sagt die Wirtin. Wir verstehen „Grumbeere“ (pfälzisch für Kartoffel) und liegen damit nicht mal so daneben.
Nachdem die meisten gegangen waren, entspinnt sich zwischen uns der Wirtin und einem älteren Nationalparkwächter eine Unterhaltung. Über die Situation im Ort, früher als noch die Eisenbahn fuhr und alle friedlich zusammengelebt haben.
Klingt wie Jugonostalgie scheint aber vor dem Hintergrund der bestehenden Perspektivlosigkeit eher wie ein pragmatische Zusammenfassung der vergangen Situation. Der Ort ist schön gelegen Touristen kommen, aber sie Saison ist kurz. Früher fuhr regelmäßig die Eisenbahn bis an die kroatische Küste, heute einmal in der Woche ein Bus nach Bihać. ohne Auto ist man hier abgehängt. Außer der Fischzucht, dem kleinen Lebensmittelladen und dem bisschen Tourismus gibt es keine Verdienstmöglichkeiten. Mit einem selbstgebrannten Drenjak-Schnaps (Kornelkirsche) beenden wir unseren dritten Wandertag.
Mali Cvjetnić – Unheimliche Begegnung der serbischen Art
Zum Frühstück gibt es bosnische Krapfen – uštipci genannt, Ajvar und Speck. Dazu dürfen wir wählen – Rakija oder Kaffee. Wir entscheiden uns für Letzteren. Bevor wir gehen, packt uns die Wirtin den Rest der Teigbollen ein. Im Laden kaufen wir noch was zu Futtern, dann geht’s zu den Wasserfällen. Diesmal gratis, da der Parkwächter noch nicht aus den Federn ist.
Die Wasserfälle von Martin Brod haben nicht die Mächtigkeit ihrer nördlichen Verwandten, den Štrbački buk. Dafür überwinden sie in mehreren Kaskaden und Kaskädchen einen Höhenunterschied von etwa 50 m. Zwischen kleinen Inseln sprudelt überall kristallklares Wasser über Tuffabsätze zu Tal. Den durch Algen, Moose und Insekten gebildeten Tuff findet man ringsum Martin Brod. Es wird angenommen, dass das Gebiet früher mal komplett unter Wasser war.
Wir machen ein paar Fotos und verlassen Martin Brod in dem wir der Una stromauf folgen. Am Ortsrand steht ein Wegweiser in Richtung Drva. Das sieht gut aus. Wir müssten den Ort morgen oder übermorgen erreichen. Von dort können wir uns neu orientieren. Hinter einer Bahnbrücke die über den Fluss führt narrt mich mein GPS.
Ich hatte die Krka-Mündung als Wegpunkt gespeichert und wollte uns dorthin leiten lassen. Die Route führt auf dem Display nach links direkt ins Unterholz, einen Weg können wir jedoch nirgends entdecken. Wir geben das Routing auf und folgen dem Weg entlang des Una-Tals.
Nach etwa 3 km wieder ein Wegweiser mit dem Symbol des Fernwanderwegs „Via Dinarica“ (grüne Route). Links geht es nach Očigrije, geradeaus weiter nach Veliki Cvjetnić (8,5 km), Drva (29,6 km) und zur Titova pećina (30,6 km). Titos Höhle klingt gut! Außerdem wären hier auch die Bärenhinweise angebracht, mitten auf dem Weg stolpern wir fast über einen Haufen Bärendreck!
Kurz nach 12 Uhr stehen wir an der Mündung der bosnischen Krka in die Una. Der Fluss bildet hier die Grenze zu Kroatien. Ein Weg führt am Krka-Ufer stromauf, wir aber müssen nach Veliki Cvjetnić. Das Dorf befindet sich auf einer Hochebene. Eine staubige Forststraße führt an einem verlassenen Bahnhof vorbei bergauf.
Auf einer Hochebene laufen wir durch ein fast verlassenes Dorf. Häuserruinen mit nationalistischen Schmierereien tauchen hin und wieder am Straßenrand auf. Mal leuchtet in roter Farbe das serbische Kreuz von den Hauswänden, mit dem Hinweis, dass das Kosovo serbisch ist, mal ist es das „U“ der Ustaše.
Kurz hinter Veliki Cvjetnić senkt sich die Straße hinab in ein Bachtal ohne Bach dafür mit mehreren Wegweisern. Geradeaus geht es weiter nach Drva, nur sind es seltsamerweise wieder 30 km bis dorthin. Rechts geht es zu den Krka-Quellen (5,7 km). Wenn alles klappt müssten wir noch rechtzeitig vor der Dämmerung unser Ziel erreicht haben. Es klappt sogar besser als geplant. Nach ein paar Metern hält ein Geländewagen. Der Fahrer muss gerade für’s Wochenende eingekauft haben. Zwischen Kürbissen, Würsten und einer halben Sau verstauen wir unsere Rucksäcke. Direkt am Abzweig zu den Quellen werden wir abgesetzt. Jetzt sollen es laut Wegweiser nur noch 3 km sein. Wir folgen dem Schild und Fahrspuren am Boden, die nach einer Weile in einen Trampelpfad übergehen, der wiederum irgendwann mitten im Gestrüpp endet. Wir beschließen zurück zu laufen, um zu schauen, ob wir einen Abzweig übersehen hatten.
Neben dem Wegweiser steht ein Auto, der Fahrer schaut aus dem Fenster zu uns herüber. Ich gehe hin und frage nach dem Weg. „Izvor Krke?“ Der Typ steigt aus und blafft irgendwas zurück, was ich nicht verstehe. Ich gehe zum Wegweiser und deute auf den Schriftzug. Ohne Erfolg, der Typ versteht mich nicht oder will mich nicht verstehen. Er faselt was mit einem recht aggressiven Unterton und fuchtelt mit einer halbvollen Plastikflasche herum. „Rakija“ höre ich aus dem Wortschwall heraus.
Ist der besoffen? Sucht der Streit?
Ich versuche ihm klar zu machen, dass wir Deutsche sind und ihn nicht verstehen. Das scheint ihn überhaupt nicht zu interessieren. „Schwob“ höre ich. Hat der echt „Schwob“ gesagt? Der sucht tatsächlich Streit, schießt es mir durch den Kopf. Ich soll ins Auto steigen. Anne nicht! Als wir seiner Aufforderung nicht nachkommen droht er mit der Faust. So langsam wird die Sache ungemütlich. Wir laufen in Richtung Dorf zurück. Der Typ steigt in sein Auto fährt an uns vorbei und steigt wieder aus. Flucht herum, zieht seine Jacke aus und wirft sie vor sich in den Dreck. Der scheint völlig durchgeknallt zu sein! Er zeigt auf ein Haus und faselt wieder was. Soweit ich es richtig verstanden habe, sollen dort welche wohnen die Deutsch sprechen. Wir halten drauf zu. Tatsächlich auf dem Grundstück treffen wir ein älteres Pärchen. Der Typ schwätzt mit den Beiden und sie begrüßen uns auf Deutsch.
Nun klärt sich die Situation recht schnell. Der Typ soll Polizist sein und hat uns als Alkoholschmuggler oder Schlepper verdächtigt! So wenig wie wir Schmugglern oder Schleppern ähneln, so wenig ähnelt der einem Ordnungshüter. Auf meine Frage warum er sich nicht als solcher ausgewiesen hat, bekommen wir keine Antwort. Die ältere Dame vermutet, dass er seinen Ausweis vergessen hatte und uns somit nicht kontrollieren durfte. Anne glaubt nicht an die Polizistenversion. Für sie ist es ein selbsternannter Dorfsheriff.
Erst als wir ihm den Inhalt unserer Rucksäcke gezeigt haben, gibt er sich zufrieden. Wir gehen ins Haus der beiden Jugodeutschen und begießen das Missverständnis mit einem Sliwowitz, bekommen ein Stück Kuchen und leckere Gemüsesuppe. Dem Dorfsheriff ist die Sache nun peinlich und er will sich entschuldigen. Er bietet uns an bei ihm zu übernachten. Das lassen wir besser bleiben. Ich befürchte das wir dann ins Delirium fallen würden. Wir haben mittlerweile schon den vierten Sliwowitz vernichtet. Wir machen einen Strich unter die Sache und der Dorfsheriff verabschiedet sich.
Das Paar bietet uns an bei ihnen zu übernachten. Wanderer wären hier selten, erzählen sie uns. Ab und zu kommen mal Radfahrer oder Motorradfahrer vorbei. Ihnen schien die Situation auch peinlich zu sein, die der Hilfssheriff heraufbeschworen hatte. Wir würden auch zelten. Das kommt aber nicht in Frage – wegen der Bären und Wölfe! Na, mit Bären oder Wölfen hatte ich noch nie Probleme, mit durchgeknallten Bullen schon. Wir bekommen ein Nachtquartier im Pumpenraum. Morgen will uns der Mann den Weg zu den Quellen zeigen.
Der Jugodeutsche erzählt, dass er mit zwanzig nach Deutschland gekommen sei und nun eine gute Rente habe. Damit baue er sein Elternhaus hier auf. die Frau komme aus Split und dort hätten sie auch ein Haus. im Winterhalbjahr hielten sie sich in Vaihingen auf, wo auch ihre Kinder wohnen und im Sommer wären sie in Split oder hier. Allerdings wäre es hier sehr einsam. Die Dörfer würden immer kleiner, da die Menschen zunehmend abwanderten, hier gäbe es kaum eine Lebensgrundlage und viele Häuser seien im letzten Krieg zerstört worden. Er würde hier alles aufbauen, im Sommer würden auch Verwandte und seine Kinder vorbeikommen. So ganz leuchtete uns sein vorhaben nicht ein, hier zu investieren mit dem Wissen, das in zehn Jahren hier niemand mehr wohnen würde.
Izvor Krke – Drvar
Es ist trüb am Morgen, Regen kündigt sich an. Unsere Gastgeber scheinen noch zu schlafen. Wir bereiten unser Frühstück auf unserem Kocher zu. Als wir gerade fertig sind, kommt der Hausherr und bietet sich an, uns den Zugang zur Krna-Quelle zu zeigen.
Wir lassen unsere Rucksäcke im Schuppen auf dem Grundstück der Beiden zurück und laufen mit unserem Gastgeber querfeldein bis zu der Stelle, wo der Pfad hinunterführt zu den Quellen. Anhand des Wegweisers hätten wir die Stelle nicht gefunden. Wenn überhaupt, dann nur durch Zufall. Das Hochplateau oberhalb der Schlucht soll eine Wasserscheide sein. Das Wasser unter uns fließt in Schwarze Meer, das Wasser linker Hand in die Adria. Außerdem soll das Wasser in diesem Plateau gleich drei größere Flüsse speisen. Unser Gastgeber verabschiedet sich, er will mit seiner Frau nach Drvar fahren, wir steigen in die Schlucht.
Die Quelle der Krka ist eine Karstquelle. Unter dem Fels sprudelt an mehreren Stellen das Wasser hervor. Leider sind die Wege so verwachsen, dass wir nicht nach den Mühlen entlang der Krka suchen. Unser Gastgeber erzählte uns am Abend zuvor, dass es früher dort Mühlen gab, die aber nach den zweiten Weltkrieg oder nach dem letzten Krieg verlassen wurden. Unser Gastgeber ist in seiner Kindheit öfter dort gewesen. Früher konnte man auch von der Krka-Mündung zur Quelle laufen, heute sei der Weg aber zugewachsen. Sicher wurde der Bahnhof an der Krka-Mündung auch von den Müllern genutzt.
Wir füllen unsere Trinkflaschen, machen ein paar Fotos und treten den Rückweg an. Der Boden ist zerwühlt, hier gibt es offensichtlich viele Wildschweine. Von was die Menschen sonst leben, bleibt uns ein Rätsel. Landwirtschaft konnten wir so gut wie nirgends entdecken.
Wir müssen erst mal bis zu der Brücke über den nichtvorhandenen Bach zurück. Laut dem Jugodeutschen versiegte der Bach nach einem leichteren Erdbeben in der Region.
Der Weiterweg ist ab jetzt recht eintönig. Auf staubiger Forststraße geht es durch den Wald. Nach einer Stunde und 15 Minuten erreichen wir die Schotterstraße nach Boboljusci (Бобољусци) und Martin Brod. Wir wählen den rechten Weg in Richtung Drvar. Noch einmal 1 ½ Stunden und wir verlassen den Una-Nationalpark an der ehemaligen Steinbeisbahn bei Hrnjadi. Ein Wegweiser, der als Zielscheibe genutzt wurde zeigt zurück in Richtung Boboljusci. Auf der nun folgenden Asphaltstraße müssen wir nach links. Regenwolken sitzen uns im Nacken. Kaum ein paar Meter gelaufen kommt ein Auto, das erste des Tages. Ich halte kurz den Daumen raus, es hält. Vater und Sohn die Feuerholz geschlagen haben, um es der Mutter nach Drvar zu bringen. Perfekt!
Zum ersten Mal tauchen am Straßenrand wieder Minenwarnschilder auf. Wir hatten schon befürchtet auch im Nationalpark welche zu finden. Aber dort scheint alles sauber zu sein.
Die beiden wollen heute noch weiter bis Prijedor und bieten uns an, mit nach Prijedor zu fahren, von dort hätten wir es nicht mehr weit bis Banja Luka. Aber wir wollen schon noch Titos Höhle sehen, also werden wir in Drvar’s einzigem Hotel abgesetzt. Als sich Anne überschwänglich bedankt, antwortet der Sohn mehrmals in Englisch, dass es immer eine Freude wäre, uns zu helfen. Eine bemerkenswerte Erfahrung, nach der Begegnung von Gestern.
Drvar ist ein trostloses Nest und der wolkenverhangene Himmel macht es nicht besser. Der Blick aus dem Fenster unseres Hotelzimmers fällt auf eine Bauruine aus Titos Zeiten. Straßenköter wühlen davor zwischen Müllbergen herum. Vor dem Krieg hatte die Stadt 70 000 Einwohner, viele flohen dann. Etwa 7000 kamen zurück, heute leben noch knapp 3000 Leute in dem Ort, Bosnier, Kroaten und Serben wie wir später erfahren.
Der Rezeptionist ist der Einzige im Hotel, der Englisch kann und verwechselt links mit rechts. Viel größer ist sein Wortschatz sowieso nicht. Ob ein Bus von hier morgen in Richtung Banja Luka fährt ist ungewiss. Wir werden sehen…
Titos Höhle
Gestern beim Abendessen im Hotelrestaurant trafen wir noch unsere Gastgeber aus Cvjetnić. Sie erklärten uns wie wir die Titova pećina – Titos Höhle finden würden. Sie liegt am Stadtrand von Drvar über dem rechten Ufer der Unac, wo jetzt Nebelschwaden waberten.
Im so genannten Unternehmen „Rösselsprung“ versuchten am 25. Mai 1944 deutsche Fallschirmjäger mit Unterstützung weiterer Einheiten den Stab der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee zu zerschlagen und Josip Broz Tito gefangen zu nehmen oder zu töten. Tito gelang es jedoch wieder einmal seinen Gegnern zu entkommen. Es war der letzte deutsche Versuch Tito auszuschalten.
Die Stadt Drvar hatte Titos Versteck herrichten lassen, in der Hoffnung damit eine Touristenattraktion zu schaffen. Das war 2006 und 2017 strömen wir als einzige in die Titohöhle. Zugegeben es ist November, nicht gerade die Zeit des Hochtourismus, aber das verlassene Gelände, das eingestürzte Dach des Hauses vor der Titohöhle zeugen auch nicht zu anderen Zeiten von großen Touristenmassen. Souvenir- und Kassenhäuschen waren verlassen. Es sah überhaupt so aus, als ob hier schon lang keiner mehr gewesen ist. Immerhin war das Tor zum Aufstieg zur Höhle offen. Wir klettern die Steinstufen nach oben, verewigen uns vor Titos Unterschlupf und treten den Rückweg an.
Die Busse sollen auf dem Parkplatz vor dem „Mega-Markt“ abfahren. Wir postieren uns neben der Einfahrt und halten prophylaktisch bei jedem vorbeifahrenden Auto den Daumen raus. Eine halbe Stunde tut sich nichts. Dann hält ein Wohnmobil. Es ist eine Familie aus Slowenien, auf der Heimfahrt von ihrem Adriaurlaub. Damit, dass ein Wohnmobil hält, dazu mit einer Familie, hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Wiedermal schmeißt die Realität meine gesamten Tramper-Vorurteile über den Haufen.
Wir bekommen frisch geerntete Mandarinen vom Unterlauf der Neretva. Die Slowenen fuhren die bosnische Route, da sie somit die Mautgebühren in Kroatien vermeiden konnten. Das gesparte Geld wurde in Bosanska Petrovac im „Bingo-Markt“ umgesetzt.
Wir machen mit. Anne kauft sich eine Hut, ich einen Pfirsichsaft und beide einen widerlich schmeckenden Nescafé. Spontan beschließen wir nun nicht nach Banja Luka zu trampen sondern mit der Familie weiter bis Bihać zu fahren. Von dort gibt es Busse nach Banja Luka.
Weiter ging es zum Ausgangspunkt unserer Tour, vorbei an Hochweiden mit Hirten und ihren Schafherden auf den so genannten „Poljen“. Der Nebel hatte sich verzogen, strahlender Sonnenschein begleitet uns nach Bihać. Am Busbahnhof verabschieden wir uns von den Slowenen. Um 13 Uhr fährt ein Bus nach Banja Luka, um 14 Uhr einer nach Zagreb. Spontane Planänderung – wir kaufen uns Fahrscheine für den Bus nach Zagreb. Neues Ziel: Plitvička jezera. Was sollen wir bei strahlendem Sonnenschein auch in einem Thermalbad?
Jetzt sitzen wir hier am Busbahnhof in Bihać und beobachten die Abschiede der Familien, die meist nach Deutschland fahren. Herzzerreißende Szenen: junge Mütter verabschieden sich von ihren kleinen Kindern, Eltern von ihren erwachsenen Kindern. Aber wir verstehen, was haben die jungen Menschen hier für eine Alternative?
Gestärkt mit einer Portion Ćevapčići hocken wir uns in den Bus und sind eine Stunde später am Eingang 2 des Nationalparks Plitvicer-Seen in Kroatien.
Plitvicer Insekten
„Es gibt drei Hotels: Jezero, Plitvice, Bellevue.“ erzählt uns die Dame an der Info. „In der Reihenfolge verringern sich auch die Übernachtungspreise.“ Alles klar. Wir gehen ins „Bellevue“. Das Etablissement ist geschlossen. Schlecht informiert, die Dame, denke ich mir. Im „Plitvice“ buchen wir für 2 Nächte. Morgen wollen wir zur großen Seen-Rundwanderung starten.
Am Morgen bekomme ich mal ein gescheites Frühstück und Anne kann in ungebremsten Kaffeegenuss schwelgen ohne Mehrkosten. Der Eintritt in den Nationalpark kostet 55 Kuna (7,40 EUR). Mit einer Art Bus werden wir zum Ausgangspunkt unserer Rundwanderung gefahren. (So was hatte ich auch noch nicht!) Außer uns fährt nur noch eine Chinesin mit. Sie kommt aus Hongkong, wo sie als Sozialarbeiterin tätig ist. Sie wird uns auf der Tour begleiten. Der Buchstabe H dient uns als Wegmarkierung.
Auch wenn die Reglementierung hier ungeahnte Ausmaße erreicht (die Hohe Tatra ist nix dagegen), ist die Landschaft sehr beeindruckend. Der Herbstwald, die Wasserfälle und das smaragdgrüne glasklare Wasser der Seen in denen sich Fische tummeln, hatten etwas. Nach fast 7 Stunden sind wir wieder in unserem Hotel.
Der Nationalpark ist um ein Vielfaches größer als das Gebiet der Seen. Vielleicht wandern wir morgen noch ein wenig durch den Bergwald und fahren dann nach Rastoke. Die Dame an der Rezeption gibt uns die Info, dass wir die Eintrittskarte für den Nationalpark um einen Tag verlängern können. Voraussetzung ist eine Übernachtung im Hotel.
Am nächsten Morgen zerschlagen sich die Wanderpläne erneut. Es regnet in Strömen und ich bin von Kopf bis Fuß zerstochen, grässlich rote juckende Flecken leuchten auf der Haut. Wir beschließen mit dem nächsten Bus nach Zagreb zu fahren. Die Dame verabschiedet sich an der Rezeption mit den Worten: „Ich hoffe Sie behalten uns in guter Erinnerung.“ Auf jeden Fall!
Der Bus aus Drniš kommt etwa 15 Minuten später. Es regnet die gesamte Fahrt nach Zagreb. Dort regnet es zwar nicht mehr, ist aber windig und kalt. Wir gehen ins „Central“ gleich gegenüber vom Bahnhof. Und abends bekommen wir im „Vinodol“ endlich die lang erwartete Lammkeule. Ein Hinweis im Internet brachte uns auf das Restaurant.
Es war eine kurze aber doch sehr interessante Reise. Morgen geht es zurück nach Deutschland.
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